Karlmann (Karl Herrmann) Richter

• geboren 1913 in Kiel als Sohn eines Ingenieurs

• aufgewachsen in einer der zehn reichsten Familien von Kiel mit viel Luxus, Dienerschaft und Standesdünkel

• frühzeitiger „Hang zum Küchenpersonal“, zu Tätowierungen und Hafenarbeitern Ich wurde in dem Glauben erzogen, nur die gesellschaftsfähigen Menschen hätten eine Daseinsberechtigung. Alle anderen seien Diener. Doch schon in frühen Jugendtagen geriet ich mit diesen Wertvorstellungen in Konflikt. ... Einmal sah ich in der Straßenbahn einen Mann mit tätowierten Armen. Es waren lauter nackte Frauen darauf abgebildet. Meine Mutter sagte hinterher zu mir, das sei nicht schön. Leute wie wir wollten damit nichts zu tun haben.

• exklusives Internat, mäßige Schulerfolge Was interessierte mich die trockene Wissenschaft, wo ich doch tätowiert auf Schiffen unter Gleichgesinnten leben wollte. ... Es war unmöglich, dass ich, der ja einmal die Firma meines kinderlosen Onkels übernehmen sollte, eine Lehre machte oder gar zur See fuhr. So fand ich mich dann in mein Schicksal und macht dort recht und schlecht ein durchschnittliches Abitur.

• 1934 Reichsarbeitsdienst bei Bad Segeberg

• Beginn und Abbruch eines Physik-Studiums an der TH München

• freiwilliger Wehrdienst: ein Jahr leichte Artillerie in Itzehoe

• 1936 zweiter missglückter Anlauf zum Studium der Physik an der TH Berlin Wenn meine Eltern geahnt hätten, wie gern ich zur See gefahren wäre, dann wäre wohl vieles anders geworden. Erst als reifer Mann im Alter von 57 Jahren traute ich mich, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen.

• Ausbildung als Fahrlehrer für Kraftfahrzeuge und Einsatz in Schwerin

• 1939 Einberufung zur Wehrmacht (Kradfeldzug), im Krieg in Holland, Frankreich, Russland

• sein erstes Tattoo, einen Anker, sticht er sich 1944 selbst

• kurze, britische Gefangenschaft in Ostfriesland

• geht eine von der Mutter arrangierte Ehe mit Else ein, dem ehemaligen Hausmädchen seiner Schwester
Meiner Frau waren Tätowierungen an sich nicht fremd, war ihr Großvater 1905 doch auch als Soldat – mit Schießpulver, wie er sagte – tätowiert worden. Da jedoch außer alten Soldaten hier in der Gegend nur Fremdenlegionäre tätowiert sind, schämte sich meine Braut meiner und ich durfte die Tätowierungen nicht mehr zeigen.

• vier Kinder; gut dotierte Stelle als Einkaufsleiter in einer Apparatebau-Firma im Schwarzwald, nach Feierabend Aushilfe in der Fremdenpension seiner Frau Es ist ein verpatztes Leben, man lebt so dahin, verdient ohne Freude seine Brötchen. Ich habe mir oft Gedanken darüber gemacht, ob ich nicht doch abartig veranlagt bin. Aber wie weit geht das? Der Wunsch tätowiert zu sein, ist doch keineswegs abartig ...

• über heimliches Fotosammeln entwickelt sich eine ausführliche Korrespondenz zu Herbert und schließlich der Plan zur Flucht nach Hamburg Sorgfältig wurde meine Flucht vorbereitet. Ein ganzes Jahr lang. Keiner durfte etwas ahnen. ... Am 23. Dezember 1970 fuhr ich statt zur Arbeit zum Bahnhof und setzte mich in den Zug nach Hamburg. Einem Rechtsanwalt hatte ich die Wagenschlüssel übergeben und ihn beauftragt, meine Frau noch am gleichen Tag über alles zu informieren. Meinen Kindern gegenüber hatte ich kein schlechtes Gewissen. Sie waren aus den Kinderschuhen herausgewachsen, und ich hatte ihnen an Erziehung und Bildung mit auf den Weg gegeben, was ich konnte. ... Ich wurde von Hoffmann & Co liebevoll aufgenommen und umsorgt. In aller Freiheit konnte ich meiner Neigung nachgehen. Und das war: tätowiert zu werden und selbst im Tätowiergeschäft mitzuhelfen.

• in Hamburg Büro-Angestellter, dann arbeitslos und in Frührente

• lebt und arbeitet für die nächsten zwölf Jahre in Herberts „Männer-WG“, teilweise auch mit in der Schweiz

• nach schwerer Krankheit lebt er heute in Nortorf (Schleswig-Holstein) bei seinem Sohn Manfred; seine anderen drei Kinder hat er nie wieder gesehen

Mein zweites Leben begann mit meiner Flucht nach Hamburg. Das war 1970, demnach bin ich jetzt 32 Jahre alt. Ich fühle mich sehr wohl dabei.

Quelle: flammendherz-derfilm.de

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